Schwangerschaftsabbruch ohne Zustimmung des Ehepartners
Der OGH setzte sich zuletzt mit der Frage auseinander, ob der Schwangerschaftsabbruch einer Ehefrau ohne vorheriges Einvernehmen des Ehegatten eine Eheverfehlung darstellt. Im Anlassfall erzählte die Ehegattin ihrem Ehegatten nicht, dass sie schwanger war und klärte ihn folglich auch nicht über ihren Entschluss auf, ihre Schwangerschaft zu beenden.
EHEVERFEHLUNG UND SCHEIDUNG AUS VERSCHULDEN
Eine Ehe kann einseitig nicht einfach grundlos geschieden werden. Es bedarf daher im Regelfall einer schweren Eheverfehlung des Ehepartners, die zu einer unheilbaren Zerrüttung der Beziehung führt. Ob im konkreten Fall der Schwangerschaftsabbruch im Alleingang als schwere Eheverfehlung gewertet wird, wirkt sich in einem Scheidungsverfahren darauf aus, wem der beiden Ehegatten die Schuld an der Zerrüttung der Ehe zugesprochen wird.
KANN EINE ABTREIBUNG GERECHTFERTIGT SEIN?
Das Gericht räumt zunächst ein, dass ein Abort grundsätzlich auch im Rahmen einer ehelichen Gemeinschaft gerechtfertigt sein kann. Das wäre beispielsweise dann der Fall, wenn eine Austragung des Kindes schwere gesundheitliche Folgen für die Mutter hätte. Bestehen solche triftigen Gründe, kann nicht von einer Eheverfehlung des Ehepartners ausgegangen werden. Der bloße Wunsch der Mutter, kein (weiteres) Kind auszutragen, wird nicht als Rechtfertigung dafür gesehen, einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen, ohne sich davor mit ihrem Ehepartner zu beraten.
EHELICHE PFLICHTEN BEI EINEM SCHWANGERSCHAFTSABBRUCH
Im Jahr 1999 wurde die Pflicht zu Fortpflanzung als eigener Scheidungstatbestand aus dem österreichischen Eherecht gestrichen. Das heutige Eherecht ist nun viel mehr darauf ausgerichtet, ein Einvernehmen zwischen den Ehepartnern darüber herzustellen, wie die eheliche Lebensgemeinschaft gestaltet werden soll. Auch eine Vereinbarung über eine kinderlose Ehe ist daher aus heutigem Blickwinkel zulässig. Das gänzliche Verschweigen der Schwangerschaft und des anschließenden Abbruchs verstößt an sich jedoch bereits gegen das Partnerschaftsprinzip und das Einvernehmlichkeitsgebot. Dem Ehepartner wurde in diesem Fall gar keine Chance gegeben an der Familienplanung teilzunehmen und ein Einvernehmen wurde daher auch in keinem Stadium der Entscheidungsfindung angestrebt. Um eine Eheverfehlung zu vermeiden, hätte die Ehefrau bei einem grundlosen Schwangerschaftsabbruch zumindest ihren Gatten darüber informieren müssen und den Versuch anstellen müssen, ein Einvernehmen herzustellen.
SEXUELLE SELBSTBESTIMMUNG UND DAS EHELICHE EINVERNEHMLICHKEITSGEBOT
Im Anlassfall ging das Gericht nicht darauf ein, ob auch ein grundloser Schwangerschaftsabbruch, der erst nach einem gescheiterten Versuch Einvernehmen herzustellen erfolgt ist, ebenfalls eine Eheverfehlung darstellen würde. Modifiziert man diesen Fall aber dahingehend, dass der Ehemann weiß, dass seine Ehefrau „grundlos“ abtreiben möchte, erkennt man sehr schnell ein Spannungsverhältnis zwischen dem Grundrecht der Schwangeren auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper zum einen und der grundrechtlich geschützten Fortpflanzungsfreiheit des Vaters zum anderen. Überwiegend wird die Meinung vertreten, dass die Mutter, als die unmittelbar von der Schwangerschaft betroffene, besonders geschützt ist. Es scheint daher nicht verhältnismäßig, das Recht zur Selbstbestimmung der Schwangeren in einer physisch und psychisch sensiblen Phase, vom Willen des Vaters abhängig zu machen. Dieses Grundrecht darf dieser Ansicht nach auch in einem Scheidungsverfahren nicht umgangen werden, indem die Ausübung des Rechts auf Selbstbestimmung als Eheverfehlung gewertet wird. Dies scheint vor allem dann gerechtfertigt, wenn der Fortpflanzungsfreiheit des Vaters bereits zuvor durch die Geburt eines gemeinsamen Kindes entsprochen wurde.
FAZIT: WIEVIEL MITSPRACHERECHT HAT DER EHEMANN UND KINDSVATER BEI EINER ABTREIBUNG?
Im Sinne der ehelichen Pflichten sind verheiratete Väter in die Entscheidung über einen Schwangerschaftsabbruch jedenfalls einzubinden. Weiß der Ehegatte jedoch von dem Wunsch der Frau, die Schwangerschaft zu beenden und sind ernstzunehmende Versuche, eine Einigung herbeizuführen gescheitert, kann die Schwangere in letzter Konsequenz primär selbst entscheiden, ob sie das Kind austragen möchte oder nicht.