Mit dem Erbrechtsänderungsgesetz 2015 wurde ein neues Instrument des österreichischen Erbrechts geschaffen, welches Angehörige, die den Verstorbenen gepflegt haben, besonders berücksichtigen soll. Dieses sogenannte Pflegevermächtnis bietet daher Angehörigen die Möglichkeit, Abgeltung für ihre Pflegeleistungen aus der Verlassenschaft zu erhalten.
WAS IST DAS PFLEGEVERMÄCHTNIS?
Ein Vermächtnis oder Legat teilt einer Person einen bestimmten Teil der Verlassenschaft zu, ohne diesen als Erben einzusetzen. Die Erben müssen im Erbfall das testamentarisch oder erbvertraglich festgesetzte Vermächtnis an den Vermächtnisnehmer abgeben.
Das Pflegevermächtnis ist ein gesetzlich festgesetztes Vermächtnis, welches Personen berücksichtigt, die die Pflege des Verstorbenen übernommen haben aber dafür kein (angemessenes) Entgelt bekommen haben. Diese nahestehenden Personen sollen daher spätestens nach dem Tod des Erblassers für ihren Einsatz, der über eine familiäre Beistandspflicht hinaus geht, entlohnt werden.
WEM STEHT DAS PFLEGEVERMÄCHTNIS ZU?
Das Pflegevermächtnis steht nahestehenden Personen zu, die den Verstorbenen in den letzten drei Jahren vor seinem Tod mindestens sechs Monate in nicht bloß geringfügigem Ausmaß gepflegt haben. Nahestehende Personen sind beispielsweise die gesetzlichen Erben und der Lebensgefährte des Verstorbenen.
VORAUSSETZUNGEN FÜR EIN PFLEGEVERMÄCHTNIS
Bei der Beurteilung, ob ein Anspruch auf ein Pflegevermächtnis besteht, müssen folgende Punkte beachtet werden:
- Der Verstorbene musste tatsächlich pflegebedürftig gewesen sein. Hiervon ist auszugehen, wenn er ein Pflegegeld erhalten hat.
- Als Pflegeleistungen werden solche Leistungen berücksichtigt, die dem Pflegebedürftigen dabei helfen, ein selbstbestimmtes und bedürfnisorientiertes Leben zu führen. Das kann sowohl physische als auch psychische Unterstützung sein, wie zum Beispiel das Anziehen, Waschen und Spazierengehen.
- Die Pflege muss durch eine nahestehende Person erfolgt sein, wie etwa der Lebensgefährte oder die gesetzlichen Erben.
- Die notwendige Pflege muss in den letzten 3 Jahren vor dem Tod mindestens 6 Monate lang bestanden haben.
- Die Pflege musste ein nicht bloß geringfügiges Maß erreichen. Hiervon ist bei einem Ausmaß von ca. 20 Stunden im Monat auszugehen.
- Die Pflege darf nicht schon anderweitig durch Zuwendungen des Verstorbenen oder durch Dritte angemessen entlohnt worden sein.
WIE IST DIE HÖHE DES PFLEGEVERMÄCHTNISSES ANZUSETZEN?
Was die Höhe des Pflegevermächtnissen betrifft, ist auf den Umfang, die Dauer und die Art des jeweiligen Pflegeverhältnisses abzustellen, nicht jedoch auf die Höhe der Verlassenschaft. Es ist zu berücksichtigen, was der Verstorbene gezahlt hätte, wenn er sich anderweitig Hilfe geholt hätte. Hierbei ist in der Praxis zumeist ein Stundensatz zwischen 11,- und 14,- Euro anzusetzen.
DAS VERHÄLTNIS ZWISCHEN PFLEGEVERMÄCHTNIS UND PFLICHTTEIL
Dem OGH zufolge, wirken sich Ansprüche aus einem Pflegevermächtnis nicht pflichtteilsmindernd aus. Das bedeutet, dass die Höhe der Pflichtteile zuerst berechnet werden und dann erst das Pflegevermächtnis der Verlassenschaft abgezogen wird. Das Pflegevermächtnis erhält der Vermächtnisnehmer auch zusätzlich zum Pflichtteil und muss sich diesen daher nicht anrechnen lassen.
WAS IST MIT PFLEGELEISTUNGEN, DIE LÄNGER ALS DREI JAHRE ZURÜCKLIEGEN?
Pflegeleistungen, die nicht nach den oben angeführten Punkten geltend gemacht werden können, weil sie etwa länger als die im Gesetz vorgegebenen drei Jahre zurückliegen, können nur mehr nach den allgemeinen Grundsätzen des Zivilrechts eingefordert werden. Ein solcher Grundsatz ermöglicht es jemandem, der eine Leistung in erkennbarer Absicht auf eine Gegenleistung erbringt, vor Gericht den erwarteten Vorteil einzufordern. Werden weitreichende Pflegeleistungen beispielsweise in der Absicht erbracht, im Testament als Erbe eingesetzt zu werden, kann dies eine Grundlage dafür bieten, ein angemessenes Entgelt für diese Leistungen zu verlangen.